So wie die Apfelblüte der Erntezeit im Herbst vorausgeht, wird in unserem Land die Polemik um die Sprachkenntnisse, die für den Besuch von unseren Schulen unabdingbar sind, entfacht, um dann die Ernte mit den Landtagswahlen im Herbst einzufahren.
Wir können den rechtmäßigen Anspruch der Sprachgruppen auf kulturelle Autonomie und auf Schutz der Muttersprache, welche eben in der Institution Schule gepflegt und gefördert wird, nachvollziehen und verstehen. Wir unterschätzen auch die historisch gewachsenen Befürchtungen der Minderheiten vor einer Assimilierung nicht.
Denjenigen aber, die immer aufs Neue Alarm schlagen, möchten wir folgende Frage stellen: sind Sie wirklich davon überzeugt, dass allein eine ethnisch homogene Schule das Erlernen der Muttersprache und die kulturelle Bildung ermöglicht? Eine Schule, welche allen anderen den Zutritt verwehrt? Wäre es nicht an der Zeit davon Kenntnis zu nehmen, dass ein solches Schulmodell nicht nur anachronistisch, sondern auch kontraproduktiv ist?.
Die Südtiroler Realität des 21. Jahrhunderts stellt uns vor völlig neue Herausforderungen.
Wenn, wie es unsere Verfassung festschreibt, die Schule allen offensteht, muss sich auch das gesellschaftliche System, inklusiv dem Schulsystem der Herausforderung stellen, dass Kinder und Jugendliche in jedem Alter bei uns eintreffen können, ohne Italienisch oder Deutsch zu sprechen, weil sie nur Urdu, Chinesisch, Slowakisch oder Wolof sprechen – einige der Sprachen, die man immer wieder im Bus und auf den Straßen hören kann.
Die Erfahrung vieler Schulen deutscher und italienischer Sprache, aber auch der vielen Projekte zweisprachiger Schulen zeigt uns, dass das Erlernen einer Sprache eine pädagogische und didaktische Aufgabe ist – die ureigenste Aufgabe der Lehrerinnen. In unseren Schulen gibt es schon LehrerInnen mit geeigneter Qualifikation und Erfahrung: damit sind nicht nur die LehrerInnen der Zweitsprache gemeint, sondern auch die LehrerInnen der Sprachförderung für Deutsch bzw. Italienisch als Zweitsprache für SchülerInnen, die nicht deutscher oder italienischer Muttersprache sind. Hinzu kommen die LehrerInnen, die eine Ausbildung in der CLIL-Methodik erhalten haben, die Kopräsenz von LehrerInnen verschiedener Muttersprachen und schließlich der Schüler- und der LehrerInnenaustausch zwischen den Schulen unterschiedlicher Sprache.
Wir wissen, da wir selbst die Erfahrungen machen konnten, dass das Unterrichten von SchülerInnen, die der Unterrichtssprache kaum mächtig sind, uns mit vielen Schwierigkeiten konfrontiert. Es handelt sich um eine große Herausforderung für das Personal, die betroffenen SchülerInnen selbst und auch für den Rest der Klasse.
Wenn es in gewissen Gemeinden, Stadtvierteln oder Schulen mehr SchülerInnen gibt, die einer sprachlichen Unterstützung bedürfen, müssen die Ressourcen dem Bedarf angepasst werden: wir fordern deshalb nachdrücklich zusätzlich Lehrkräfte und mehr Hilfsmittel. Wir sind davon überzeugt, dass der Einsatz der Schulen diesbezüglich schon vorhanden ist und dass sie von der Politik Unterstützung auf diesem Weg erwarten, nicht etwa einen Aufruf zur Ausgrenzung und des Ignorierens dieses Problems.
Grundsätzlich ist es jedoch fraglich, ob das Fundament, auf dem unsere Schule seit 1946 steht und dessen Grundsätze 1972 weiter ausgeweitet wurden, noch den Herausforderungen der heutigen Situation gewachsen ist. Wir haben in den ladinischen Tälern eine mehrsprachige Schule und in den anderen Gebieten Schulen der italienischen Sprache und der deutschen Sprache, die miteinander in Wettbewerb stehen.
Wie kann dieses System der neuen Herausforderung, der Migration, und der immer größer werdenden Nachfrage nach mehrsprachigen Unterricht gerecht werden? Wie lange noch wird man eine Schule verbieten können, die nicht auf dem ethnischen Kriterium baut? – eine Schule nach dem Modell der Europäischen Schule mit Immersion (wie es sie seit Anfang der 1950er Jahre in verschiedenen Staaten gibt), eine ladinische Schule auch außerhalb der ladinischen Tälern, eine paritätische zweisprachige Schule?
Wir sollten es nicht den Privatschulen überlassen, dem Bedarf nach Mehrsprachigkeit im Unterricht nachzukommen.
Post Skriptum:
Es wird auch darüber diskutiert, in welcher Sprache Lehrerinnen mit den Familien kommunizieren können, sollten oder eben nicht sollten. Unserer Meinung nach ist eine Diskussion darüber müßig, von der Wirklichkeit längst überholt: längst gibt es LehrerInnen, die in der Sprechstunde mit den Eltern Englisch sprechen, um dann von einer anderen Person auf Bengalisch oder Pashtun übersetzt zu werden.
Als Gewerkschaft der LehrerInnen möchten wir daran erinnern, dass es an unserer Schulen keine Pflicht zur Zweisprachigkeit gibt (eine Ausnahme gilt für die ZweitspürachenlehrerInnen und für die ladinische Schule - Pflicht zur Dreisprachigkeit). Ein/e einsprachige/r LehrerIn wird mit den Eltern in ihrer/seiner Muttersprache kommunizieren. Er/sie ist auch zu nichts anderem verpflichtet.
Laut Arbeitsvertrag jedoch erhalten die LehrInnen, die in Besitz der Zweisprachigkeitsprüfung sind, eine Sonderzulage für die Zweisprachigkeit. Wir haben dieses Rechtsprinzip immer verteidigt.
Wir halten es deshalb für rechtlich gesehen für verwegen, dass die Schulführungskraft den Gebrauch der Zweitsprache in diesem Fall verbieten kann. Dies könnte mit den buchhalterischen Grundsätzen nach denen der Rechnungshof sich richtet im Widerspruch stehen: Eine Anweisung, die zur Folge hat, die Kommunikation mit den Familien zu verschlechtern.