Entwurf eines 1. Teilvertrages (2022/24), UIL Scuola unterzeichnet nicht und beschuldigt die anderen Schulgewerkschaften, „die Arbeit der Lehrpersonen zu missachten“. Zur Klärung im Folgenden einige Hintergrundinformationen

Entwurf eines 1. Teilvertrages (2022/24), UIL Scuola unterzeichnet nicht und beschuldigt die anderen Schulgewerkschaften, „die Arbeit der Lehrpersonen zu missachten“. Zur Klärung im Folgenden einige Hintergrundinformationen

Vorausgeschickt:
Freie Entscheidungen einer anderen Gewerkschaft sind immer zu respektieren, aber diesmal sind die Begründungen der Gewerkschaft unter der Leitung von Marco Pugliese nicht nur fraglich, sondern verleumderisch.

Erste Informationen aus UIL Scuola RUA/SGK Schule FUH - Quellen in den Medien (unter anderem lokales Radio, Alto Adige vom 23. November 2022, bznews24.it) ließen vermuten, dass der Vertrag eine Erhöhung der Arbeitsbelastung bis zu wöchentlichen 28 Unterrichtsstunden vorsehe und dass UIL Scuola RUA/SGK Schule FUH als einzige dagegen gewesen sei. In Wirklichkeit ist aber leicht zu überprüfen, dass der unterzeichnete Teilvertrag (hier) keine Erhöhung der Arbeitszeit vorsieht.

In einer Mitteilung an die Schulen hat UIL Scuola RUA/SGK Schule FUH die Entscheidung nicht zu unterzeichnen begründet mit der gemeinsamen Protokollerklärung, die von der öffentlichen Delegation und den anderen drei Gewerkschaften unterschrieben wurde.

UIL Scuola RUA/SGK Schule FUH greift auch darin die Gewerkschaftskolleg:innen vehement an: „solche Klauseln zu akzeptieren bedeutet die Arbeit der Lehrpersonen zu missachten“!

Um diese Anklage aber im richtigen Kontext und Ausmaß einzuschätzen, ist es nötig, erstmal die gemeinsame Protokollerklärung genau zu lesen und zudem die Vorgeschichte zu kennen:

Ursprünglicher Plan der Landesregierung
Die Richtlinien der Landesregierung hatten vorgesehen, dass gleichzeitig mit der vorgesehenen Erhöhung („Erhöhung eines Lohnelements, (..) das der Berufszulage der Lehrpersonen des Lehrpersonals des Landes entspricht“ auch die „Flexibilität im Hinblick auf die Unterrichtszeit des Lehrpersonals (Erhöhung der wöchentlichen Unterrichtsstunden um bis zu vier Wochenstunden“) erfolgen sollte.

Reaktion der vier Gewerkschaften
Die klare Ablehnung aller vier Gewerkschaften hatte zur Folge, dass das Thema der Flexibilisierung in dieser Phase nicht mehr verhandelt wurde. Das Thema Arbeitszeit – das haben wir immer wieder bekräftigt –  kann nicht auf oberflächliche Art verhandelt werden und auch nicht in einem Kontext, in dem den Verhandlungen die Geldmittel sowohl für das Aufholen der Rückstände des vorigen Trienniums als auch für die Anpassung an die Inflation fehlen. Alle vier Schulgewerkschaften waren sich einig darin, dass der Vorschlag des Landes der Erhöhung des Limits der Überstunden auf 28 nicht tragbar ist, nicht einmal auf freiwilliger Basis.

Vorbereitung auf Unterzeichnung
Die Unterzeichnung des definitiven Textes war für den Nachmittag das 22. November angesetzt. Statt zur Unterzeichnung wurden wir nochmals zur Verhandlung eingeladen. Am Vormittag desselben Tages haben sich die Gewerkschaftsvertreter:innen online ausgetauscht um eine gemeinsame Linie zu vertreten. Dabei war auch Alessandro Salsotto der UIL Scuola RUA/SGK Schule FUH anwesend. Es wurde bereits befürchtet, dass die Landesregierung ihren Vorschlag zur Flexibilisierung als Bedingung für die Unterschrift fordern könnte. Alle waren sich einig, dies abzulehnen und waren zum Abbruch der Verhandlungen bereit und zum Aufruf der Mobilisierung der Lehrpersonen.

Zum wiederholten Mal der ursprüngliche Plan durch die Hintertür
Am Nachmittag hat die öffentliche Delegation mitgeteilt, dass die Landesregierung die Unterschrift des folgenden Artikels zur Bedingung machte: „Die unterzeichnenden Parteien dieses Vertrages verpflichten sich, den Punkt betreffend die Flexibilisierung der Unterrichtszeit des Lehrpersonals bei der nächsten Verhandlungsphase in Zusammenhang mit dem allgemeinen Thema der Unterrichtszeit zu verhandeln, um sich auf diese Weise dem Ziel der Anpassung der wirtschaftlichen und normativen Behandlung des Lehrpersonals der Schulen staatlicher Art an jene des Lehrpersonals der Landesschulen weiter anzunähern“ (s. Foto unten).

Absprache unter Schulgewerkschaften und Gegenvorschlag
Die Gewerkschaften haben sich kurz untereinander abgesprochen und entschieden diesen Vorschlag abzulehnen, weil er die zukünftigen Verhandlungen bereits in eine einseitige Richtung lenkte, etwa eine normative Anpassung an die Landeslehrer:innen. Wenn das Ziel des Landes ist, die beiden Systeme einander anzunähern, warum sollte sich nicht auch die normative Behandlung der Landeslehrer:innen an jene der Staatslehrer:innen anpassen?

Daraufhin hat eine schwierige Diskussion über den Text begonnen. Endresultat ist folgende gemeinsame Protokollerklärung: Um die angestrebte Anpassung der wirtschaftlichen Behandlung des Lehrpersonals der Schulen staatlicher Art an jene des Lehrpersonals der Landesschulen im Sinne des Einvernehmensprotokolls vom 4. Mai 2021 zu erreichen, verpflichten sich die unterzeichnenden Parteien dieses Vertrages, das Thema Arbeitszeiten bei er nächsten Verhandlungsphase zu verhandeln.“

Die Gewerkschaftsfunktionär:innen von SGB CISL, SSG ASG und FLC GBW waren der Meinung, dass dieser Text ohne größere Bedenken unterschrieben werden kann. Denn die Protokollerklärung entspricht nicht - wie von UIL Scuola RUA/SGK Schule FUH allerdings behauptet - der vom Land verlangten Klausel.

Erläuterung und Fazit:
Der Text der gemeinsamen Protokollerklärung ist Ergebnis einer langen Diskussion und unterscheidet sich deutlich vom ursprünglichen Vorschlag des Landes. Es besteht nicht mehr die Verpflichtung, die Flexibilisierung der Arbeitszeit in den von der öffentlichen Delegation verlangten Form zu verhandeln. Es gibt wohl eine Verpflichtung zur Verhandlung der Arbeitszeit, aber die Ergebnisse sind nicht vordefiniert.
Es ist nicht mehr von „Anpassung an die normative Behandlung des Landespersonals“ die Rede, sondern vom Einvernehmensprotokoll vom 4. Mai. 2021 (hier). Wir erinnern daran, dass dieses Protokoll, unterschrieben auch von UIL Scuola RUA/SGK Schule FUH, die Landesregierung verpflichtet, die nötigen Ressourcen für die wirtschaftliche Angleichung des Personals der Staatsschulen an jene des bereichsübergreifenden Vertrages des Trienniums 2019-2021 bereitzustellen. Da diese Verpflichtung aber bekanntermaßen noch nicht eingehalten wurde, bekräftigt der Verweis darauf die Argumentation der Gewerkschaften - und nicht die des Landes!

Als Gewerkschafter:innen liegt uns das physische und psychische Wohlergehen der Lehrpersonen am Herzen und wir wissen alle, dass die Arbeitsbelastung an den Schulen schon über dem akzeptablen Limit liegt. Wir sind uns auch bewusst, dass die nächsten Verhandlungen kein Kinderspiel sein werden, aber keine Unterschrift zu setzen hätte das Land keineswegs daran gehindert, die eigenen Vertragsvorschläge vorzubringen. Keine Schulgewerkschaft kann ernsthaft glauben, sich in den zukünftigen Auseinandersetzungen diesem Thema zu entziehen.
Ganz im Gegenteil, alle werden wir intensiv an unseren Gegenvorschlägen feilen müssen und darauf bedacht sein, im Interesse der Lehrpersonen als Gewerkschaften einig zu bleiben.

Wäre die eigene Unterschrift entscheidend gewesen, hätte die UIL Scuola RUA/SGK Schule FUH dann die Verantwortung dafür übernommen, den Vertrag zu blockieren und den Lehrpersonen die bereitgestellten 64 Millionen Euro für das Triennium 2022-2024 zu verweigern?

Glaubt UIL Scuola RUA/SGK Schule FUH wirklich, eine Ablehnung des Vertrages hätte die Position der Gewerkschaften in den unausweichlichen nächsten Verhandlungen zum Thema Arbeitszeit gestärkt?

Eher liegt der Verdacht nahe, dass Marco Pugliese seine UIL Scuola RUA/SGK Schule FUH der schwierigen gemeinsamen Verpflichtung der Landesvertragsverhandlungen entziehen wollte, um das zu tun, was er am besten kann, nämlich sich in den Medien auf Kosten der anderen Gewerkschaften zu profilieren.
Das mag manch neues Mitglied einbringen, aber kaum hilfreich sein, die Lehrpersonen in Südtirol wirklich zu schützen.