Antifaschistische Erklärung - 50 Jahre nach dem Terroranschlag in Brescia

Antifaschistische Erklärung - 50 Jahre nach dem Terroranschlag in Brescia

Im Gedenken an die Opfer des neofaschistischen Terrors von Piazza della Loggia am 28. Mai 1974, unter denen fünf Lehrpersonen, Mitglieder der „CGIL Scuola“

  • Giulietta Banzi Bazoli, 34, Französichlehrerin, CGIL-Mitglied
  • Livia Bottardi Milani, 32, Italienischlehrer, CGIL-Mitglied
  • Alberto Trebeschi, 37, Physiklehrer, CGIL-Mitglied
  • Clementina Calzari Trebeschi, 31, Italienischlehrerin, CGIL-Mitglied
  • Luigi Pinto, 25 anni, Werklehrer, CGIL-Mitglied
  • Bartolomeo Talenti, 56, Büchsenmacher, FLM-Mitglied.
  • Euplo Natali, 69, Rentner, ehemaliger Widerstandskämpfer
  • Vittorio Zambarda, 60, Maurer, CGIL-Mitglied.

 

Die nationale Generalversammlung GBW FLC AGB CGIL, die regionale Generalversammlung FLC CGIL der Lombardei und die Generalversammlung auf Provinzebene FLC CGIL von Brescia sind anlässlich des 50. Jahrestages des neofaschistischen Massakers von Brescia zu einer gemeinsamen Sitzung zusammengekommen. Sie erklären heute wie 1974, wie auch unsere Partisanenväter in den Jahren 1943-45, ihren kämpferischen Widerstand gegen jeden Versuch, zu den Grausamkeiten des alten Faschismus zurückzukehren - unter welchem Deckmantel auch immer - und gegen den neuen Faschismus, der erklärtermaßen in Kontinuität mit der schändlichen faschistischen Vergangenheit steht.

Wir widerlegen die verharmlosenden Behauptungen über die Unwiederholbarkeit des Faschismus, da dieser während der gesamten Nachkriegszeit seine subversive Wirkung auf die republikanische, aus dem Partisanenkampf des italienischen Widerstandes hervorgegangene Ordnung nie eingestellt hat und dabei in den Staatsapparaten, die nie endgültig mit der jahrzehntelangen faschistischen Herrschaft abgerechnet haben, Komplizen und Deckung fand.

Das Blutbad von Brescia wie auch das erste schreckliche Massaker von Piazza Fontana und die folgenden auf den Italicus und den Bahnhof von Bologna zeugen davon, dass der Neofaschismus auf nationaler und internationaler Ebene Nahrung und Unterstützung gefunden hat, um die großen demokratischen und zivilen Fortschritte der 60er und 80er Jahre in Italien zu stoppen.

Der rassistische Suprematismus, der heute in Form der Verherrlichung der eigenen Nation, die als ethnisch reine Einheit wahrgenommen und dargestellt wird, wiederauflebt, die Demagogie, die die Massen zu verführen versucht, indem sie auf den anderen als Feindbild verweist, sind die Merkmale einer Ideologie, welche die Idee des Volkes und der Nation selbst verzerrt und trübt. Die neuen antisemitischen Ausbrüche, die Gräber schänden, Stolpersteine zerschlagen und die Erinnerung an die Vernichtung in den Stadien und auf den Straßen verhöhnen, sind Phänomene, die in dieser Phase unserer nationalen Geschichte gerade deshalb auftauchen, weil man sich durch diejenigen bestärkt fühlt, die sich in der Regierung nicht als Antifaschisten bezeichnen. Wer behauptet, in unserer Verfassung käme das Wort „antifaschistisch“ nicht vor, verdient wegen seiner eklatanten Ignoranz nichts als Empörung und Abscheu.

Vom ersten bis zum letzten Wort verkündet die republikanische Verfassung Werte, die dem suprematistischem Rassismus, der Geschlechterdiskriminierung, der Unterscheidung der Rassen, der sprachlichen Überlegenheit, der politischen Gewalt und der Unterordnung aus Klassengründen entgegengesetzt sind. All diese Formen der Herabwürdigung liegen dem Faschismus und dem Neofaschismus zugrunde und richten sich gegen Demokratie und Souveränität des Volkes.

Jede Neuinterpretation der Geschichte, die eine abstrakte und unvorstellbare Versöhnung zwischen den beiden Lagern, die sich im Zweiten Weltkrieg gegenüberstanden, anstrebt, muss entschieden zurückgewiesen werden. Es ist unmöglich, derart gegensätzliche Werte miteinander zu versöhnen.

Die einen haben die Tore von Auschwitz geöffnet, die anderen haben sie geschlossen. Die einen sind gestorben, um die Nazis zu vertreiben, die anderen haben mit ihnen kollaboriert.

Die einen haben für Gleichheit gekämpft, die anderen die Ungleichheit der Menschen proklamiert; die einen sind für Gedankenfreiheit eingetreten, die andern haben ihre Gegner eingesperrt und verfolgt.

Um das Testament jener hunderttausend Gefallenen zu ehren, die laut Piero Calamandrei  „in den Bergen, wo die Partisanen fielen, in den Gefängnissen, wo sie eingesperrt waren, in den Lagern, wo sie gehängt wurden“, unsere Verfassung geschrieben haben, gedenken wir heute im Geiste dieses Kampfes der Gefallenen von Piazza della Loggia und unserer fünf Opfer der CGIL AGB Schule, die sich in der Tradition der Partisanen gegen den neofaschistischen Terror zusammengeschlossen haben, weil sie an jenem Tag im Mai „nur dort sein konnten“.

Brescia, 27. Mai 2024